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Zum Freund
Die Nummer 13
NDR
Geschichten
Ausschnitte aus Büchern von interessierten Autoren.
Roman
Ostwind . . .
Gregori zieht mit einem behaglichen Grunzlaut das alte Bärenfell enger. Die Ofenbank hat noch die Wärme des eingelegten Feuers in sich.
Unter ihm ist alles still – ab und zu quiekt mal eines von den Ferkelchen – wenn Salimba – die Schweinemutter – sich im Schlafe dreht. Die Hörner der Ziege schaben leise am Ofenstein.
Igor – der zottelige, halblahme Hundeveteran – schnarcht in den gleichen Tönen wie Gregori – man merkt die jahrelange Nähe zwischen Hund und Herrn.
Durch die blinden Scheiben in den Fensterchen müht sich das letzte Blinkern des Mondes – er ist im Begriff schlafen zu gehen, um dem heranziehenden Frühling das Tageslicht zu überlassen.
Man sieht noch nicht viel vom Wegbereiter des Sommers – aber man riecht und fühlt ihn – man hört ihn allenthalben krachen, wenn dem Flüßchen in der Senke das Bett zu eng wird – wenn der Panzer drückt, den Väterchen Frost ihm angelegt hat.
Die Sonne macht in der Mittagszeit den Schnee auf dem Dach zu Tränen – die, silbern blitzend, lange Eisbahnen bilden.
Die knorrigen Kiefern ächzen im südlichen Wind, als wollten sie die Starre aus den Ästen treiben.
Das erinnert Gregori immer wieder an Petruschka – genauso schwer hat sie sich gemüht, ehe sie dem Fieber erlegen ist. Zehnmal ist General Winter schon wieder durchs Land gezogen – seitdem.
Jeden morgen ist es Gregoris erste halbe Stunde – das stille Zwiegespräch vor dem hellen Birkenkreuz. Es ist seltsam – und er fragt sich manchesmal, warum es so ist – mit Petruschka spricht er jeden morgen in einer Sprache, die ihre Vorväter zu Zeiten Katharinas aus der fernen Herrlichkeit Jever mitgebracht hatten. Eine Sprache, die dort am Meer gesprochen wird – er ertappt sich immer häufiger dabei, in diesen Lauten zu denken.
Freunde aus Jever haben vor Jahren zwei Bücher in Friesendeutsch – Plattdeutsch steht auf dem Einband – zurück gelassen.
Diese Schätze haben für ihn in den langen Wintern die gleiche Bedeutung erlangt wie die Bibel mit den vielen Namen seiner Vorfahren – von den Inseln in der Nordsee – in den abgegriffenen Deckeln.
Pjotr, der sieben Werst entfernt – den Fluss hinauf – wohnt, bewundert Gregori – wenn er eines der Bücher zur Hand nimmt, und ihm vorliest.
„Verstehen – verstehen ist so eine Sache, Brüderchen“ – hört er dann von Pjotr – „wenn ich verstehen sollt, dann müsste mein Großväterchen schon von einem dieser Sandhügel in der Nordsee stammen – so wie bei dir,“ Pjotrs Augen scheinen dann auf die Reise zu gehen. Als wenn sie sich in der Ferne verlieren, klingen seine nächsten Worte –„aber hören ist gut – rund und weich – wie wenn mich hatte Babuschka im Arm – und drückte mein Köpfchen an ihre riesigen Brüste.“
Er schließt die Lider, wohl in Erinnerung, weil er mit dem Kopf zwischen Babuschkas Brüsten auch nichts sehen konnte. „Hören ist gut – besonders, wenn dein Wässerchen mir große Ohren gemacht hat – mit viel Platz für die Seele von Mütterchen Russland.“
Soviel Tiefgang hat Pjotr nüchtern noch nie in die Welt hinaus gelassen – wenigstens nicht einem männlichen Wesen gegenüber.
Ihre gemeinsamen Stunden reichen auch schon mal bis in den Morgen hinein – meist in der kurzen Zeit des Sommers – wenn die Nacht nur einen Klafter lang ist.
Dann ist in den Herzen der beiden Mannsleute genauso viel Leben wie in den lichten Birkenwäldern und in den springenden Flüssen der weiten Ebene.
Es ist die kurze Zeit der Ernte – der Sorge für den langen Winter. Die Zeit des Fallenstellens und die Zeit des Fischens. Meister Petz müsste ihm noch einmal zu Gefallen sein, und in eine der Gruben tappen. Das würde neue Kleider geben – und Schinken für die harte Zeit.
General Winter ist unerbittlich. Wenn der Herbststurm das Laub von den Bäumen fegt, stehen auch schon seine klirrenden Schwadronen bereit, das Land in Ketten zu legen.
Gregori trägt jede Minute Petruschkas Traum mit durch die Zeit – Petruschka hat immer davon geträumt einmal das Land sehen zu können, in dem diese wunderbare Sprache ihr Zuhause hat. Er wird seiner Petruschka davon berichten – wenn er ihren Traum leben kann, wenn das Schicksal und Mütterchen Russland ihn das noch erleben lassen.
Der einzige Wandschmuck in ihrer Hütte ist ein kleines, vergilbtes Bild. Französischer Leuchtturm auf Norderney – steht in fast nicht mehr leserlichen Druckbuchstaben auf der Vorderseite.
Irgendeine sehnsuchtgeplagte Seele hat vor vielen menschlichen Zeiträumen den Text eines Gedichtes auf die Rückseite geschrieben. Wenn Gregori die Verse liest – lesen ist wohl nicht ganz richtig, er kennt sie nach zigtausendmal anschauen längst auswendig – meint er die Wellen durch den leise singenden Dünenwind rauschen zu hören. Er hat sich damals von den Besuchern aus Tettens immer wieder von dem wunderschönen Strahlenkranz berichten lassen, der des Nachts wie ein Schirm über den Dünen hängt, und die Insel behütet.
Norderney
Der Möve Flug durchkreuzt die Dünen
begleitet dich auf deinem Weg
mal verschwindest du im Grünen
mal benutzt du dünnen Steg
Unter dir das quirlige Strudeln
von Prielen die zum Meere zieh’n
nicht weit von dir in kleinen Rudeln
Seehunde im Abendglüh’n
Wie wenn er Atem schöpfen musste, macht der Schreiber von damals eine Pause, bevor er die Zeilen des Gedichtes weiterlaufen lässt.
Ein paar Fragen . . .
Wie fühlt man sich im Herzen –
wie fühlt man sich als Frau –
wenn täglich brennen Liebeskerzen –
wenn nie mehr ist der Himmel grau.
Wenn’s regnet täglich liebes Denken –
wenn’s Fühlen wird zum Blumenstrauß –
wenn’s Herze muß das Herz verschenken –
der Platz wird knapp im Seelenhaus.
Wenn Augen hell vor Liebe strahlen –
wenn Schmetterlinge jubilieren –
wenn vorbei die Trennungsqualen –
wenn die Gedanken nicht mehr frieren.
Wie fühlt man sich im sich’ren Wissen –
das irgendwo ein Jemand ist –
man nie mehr muß die Liebe missen –
daß dieser Jemand viel vermißt.
ewald eden
Fatmas Gedanken . . .
Leises Rufen in der Frühe
kam mit der Sonne zu mir
es war als wäre mit zartem
Gefühl deine Stimme in mir
durch die Fenster zum Garten
hört’ ich dein Sagen
es war wie das
Flüstern des Windes
es klang mir im Ohr
wie trauriges Fragen
wie das Sehnen
eines verlassenen Kindes
es umweht mich
ein Hauch
in der Frische des Tages
herzkühl
und begehrend heiß
ich kann es nicht sehen –
ich mag es
obwohl ich dich
weit von mir weiß
eine silberne Träne
schleiert mein Schauen
mein Denken flüchtet zu dir
ich möcht’
eine Brücke mir bauen
hoch über
des Lebens Gewirr
ein Vogel
löst sich vom Baume
verläßt
seinen sicheren Hort
ich seh’ ihn
in meinem Traume
er fliegt mit mir
an fernen Ort
sei vorsichtig
kleiner Geselle
das dir
kein Leid widerfährt
eile dich
fliege ganz schnelle
trage mich in das Licht
finde für mich den Liebsten
weil sonst
meine Seele zerbricht
Empfinden einer türkischen Seele
von Maik (Ismail) Dipcin in deutsche Worte gesetzt
und von Ewald Eden in Verse gebracht